Die Ergebnisse der European Sustainable Finance Survey 2022 liegen vor. In der Umfrage wurden Asset Manager und Asset Owner zu ihren Erfahrungen mit der EU-Taxonomie befragt. Sie zeigt unter anderem: Der Mangel an zuverlässigen Daten sorgt noch für Unsicherheit.
Die Europäische Union will bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch private Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten gelenkt werden. Aber verstehen alle Beteiligten auch das Gleiche unter Nachhaltigkeit? Die EU-Taxonomie soll hier Klarheit schaffen. Sie stellt ein gemeinsames Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten dar und soll Greenwashing vermeiden.
Doch europäische Asset Manager (Vermögensverwalter*innen) und Asset Owner (Vermögensinhaber*innen) wenden die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten bislang nur wenig an, um die Nachhaltigkeit ihrer Finanzprodukte zu steuern und nachzuweisen. Der Studie zufolge liegt ein Grund dafür darin, dass die Investmentstrategien der Asset Manager und Owner oft viel breiter aufgestellt sind, als die Taxonomie derzeit abdeckt. Sie sind zwar zuversichtlich, dass die Taxonomie zukünftig noch breitere Anwendung finden wird. Doch der Mangel an brauchbaren Daten und Erfahrungen sowie die Unsicherheit in Bezug auf den „richtigen“ Umgang verhindern dies aktuell.
Risiko des Reputationsverlusts
Aus diesen Gründen dämpfen die befragten Asset Manager und Asset Owner die Erwartungen ihrer Kund*innen und der Gesetzgeber. Denn bislang ist es kaum möglich, Taxonomie-konform zu investieren. Wenn die erforderlichen Taxonomie-Kennzahlen von Investitionsobjekten überhaupt vorhanden waren, fehlte es nach Aussage der Befragten oftmals an Erläuterungen. Dadurch ließen sie sich nur schwer interpretieren und vergleichen.
Nun, unvollständige und unzuverlässige Daten zu nutzen, bedeutet für viele Asset Manager und Owner ein Reputationsrisiko. So sagte etwa einer der Befragten: „Nichts ist gefährlicher, als zu viel zu versprechen und am Ende nicht die Anforderungen zu erfüllen.“ Und ein weiterer gab an: „Wir haben unsere Ergebnisse mit denen der Wettbewerber verglichen und waren schockiert, wie schwierig es ist, sie tatsächlich zu vergleichen.“
Bessere Datenqualität absehbar
Allerdings sind die befragten Asset Manager und Owner zuversichtlich, dass sich die Qualität der Daten mit der Zeit verbessern werde. Zum einen durch die Einführung neuer Berichtsstandards für Firmen auf EU- und internationaler Ebene. Zum anderen auch dadurch, dass Datenanbieter und Unternehmen voneinander lernen und sich an den Ergebnissen orientieren, die am Markt am stärksten nachgefragt werden.
Damit die Taxonomie in größerem Umfang genutzt werden kann, wünschen sich einige Asset Manager und Owner mehr Unterstützung, etwa durch Trainings, Leitfäden oder Vorlagen. „Wir würden gerne deutlich mehr Unterstützung von denjenigen erhalten, die die Taxonomie entwickelt haben. Dazu gehören Personen, an die wir uns wenden können, wenn wir Fragen haben“, führte einer der Befragten an. Die Komplexität der Taxonomie-Bewertungen und -berichte bereite vor allem kleineren Asset-Management-Häusern Schwierigkeiten.
Mehrheit ist gegen Atom und Gas
Die meisten der Befragten sind sich offenbar einig: Gas und Atomenergie sollten nicht von der Taxonomie erfasst werden. Gleichzeitig wären die Auswirkungen der Einstufung dieser Technologien als „nachhaltig“ auf den Markt wahrscheinlich begrenzt – viele der befragten Häuser werden voraussichtlich einfach ihre bestehenden Nachhaltigkeitsstrategien weiterverfolgen.
Insgesamt zeigt die Umfrage, dass sich Asset Manager und Asset Owner momentan in einem Lernprozess befinden. Sie sehen in der EU-Taxonomie mehr als nur ein reines Reporting-Tool, sind aber über ihre weitere Verwendung noch unschlüssig. Doch auch wenn die EU-Taxonomie noch weit davon entfernt ist, das wichtigste Instrument für Asset Manager und Owner für nachhaltige Investitionen zu sein – dass sie den Markt ordentlich aufgerüttelt hat, ist unübersehbar. Denn sie bringt die Belange der Nachhaltigkeit in den Vordergrund der politischen Diskussion und auf die Schreibtische der Vorstände.
Die European Sustainable Finance Survey ist eine jährliche Umfrage im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMUV) zu den Themen nachhaltige Finanzierung und EU-Taxonomie. Sie wird von adelphi research in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern durchgeführt. Für die aktuelle Umfrage wurden 21 europäische Asset Manager, Asset Owner und Verbände befragt sowie mehr als 200 Prospekte von Fonds analysiert, die nach Artikel 8 und 9 aufgelegt sind.
Den Bericht und die vollständigen Umfrage-Ergebnisse finden Sie hier.
Kontakt: cochuadelphi [dot] de (Annica Cochu), Senior Advisor